500 Jahre Fuggerei – die Stadt Augsburg feiert und glorifiziert munter weiter

„Bewundernswerter Bürgersinn gepaart mit unternehmerischer Weitsicht“ (Ursula von der Leyen, SZ) 1

„internationaler Impulsgeber für soziale Innovation“ (Oberbürgermeistern Eva Weber über Jakob Fugger, Fugger.de) 2

„Ohne Dich [Fugger] würde uns was [f]ehlen“ (Stadt Augsburg in einer unreflektierten Liebeserklärung an einen ausbeuterischen Frühkapitalisten)

Ohne die Fugger würde der ganzen Welt was fehlen, meint die Stadt Augsburg 3

Wie schon oft von uns und anderen Mitstreiter*innen kritisiert, schmückt man sich in der „Fuggerstadt“ Augsburg gerne mit dem Handelsgeschlecht der Fugger und Welser. Was jedoch fehlt ist eine kolonialkritische, kapitalismuskritische Auseinandersetzung – das zeigt sich aktuell wieder in den Feierlichkeiten zu 500 Jahren Fuggerei.

Postkoloniale, kapitalismuskritische Stimmen zu den Fuggern und der Fuggerei

Die Fuggerei sei bereits zu Lebzeiten eine PR-Maßnahme von Jakob Fugger gewesen, mit der er auf Vorwürfe des Verstoßes gegen das Zinsverbot und der Monopolbildung reagiert habe, schreibt Bernhard Schiller in der DAZ. 4

Jakob Fugger wurde mit dem Montanhandel reicher und mächtiger und ließ Aufstände der von ihm ausgebeuteten Bergleute konsequent niederschlagen. Er war Geldgeber für den portugiesischen Sklavenhandel und finanzierte Kriege in nah und fern. Auch schreckte er nicht davor zurück, Proteste gegen seine ausbeuterischen Praktiken niederzuschlagen zu lassen und aufständische Bauern verfolgen zu lassen. Der Kaufmann und Bankier betrieb eine knallharte Preispolitik, bildete Syndikate und de facto ein Monopol, das ihn über altes Herkommen und jegliche Anstandsnorm zu stellen schien.

— Bernhard Schiller, DAZ

Der Spiegel berichtete schon 1985 von einer Studie, die erforscht hat, dass die Fuggerei „gedacht [war] als Gegenoffensive und Ablenkungsmanöver wegen ihrer Monopolstellung auf dem Gebiet der Finanzierung von Kriegen und Bürgerkriegen, wegen der Ausbeutung Zehntausender, wegen des Elends, das die Fugger unter den Augsburger Webern angerichtet hatten“. Weiter heißt es, „Zu den weltweiten Geschäften der Augsburger Frühkapitalisten zählten der Tuch- wie der Sklavenhandel, Banken wie Bergwerke in den Alpen. Zu ihren Geschäftspraktiken gehörten Preiswucher und Korruption, Monopolbildung und Spitzelwesen. Riesige Kriegskredite dienten zugleich der Pflege der politischen Landschaft: Mit den Zahlungen machten die Fugger sich die chronisch verschuldeten Habsburger-Kaiser gefügig bis abhängig.“5

Sebastian Purwins erklärt: „Die Darstellung [der Fugger] heute wird verbunden mit Zivilisierung, Entwicklung und Fortschritt. Die kolonialen Praktiken werden zwar genannt aber nicht als solche bezeichnet. Insgesamt bleibt die Darstellung der Fugger positiv. Die Darstellung von Jakob Fugger ist heute stets mit Bildern von Macht, Reichtum und Einfluss verbunden. Jakob Fugger ist „Visionär“„erfolgreichster Stifter der Welt“ , „Erfolgsgeschichte“„Finanzgenie“„bedeutendster Kaufmann“ , „genialer Onkel“ und „führender Kaufmann und Bankier seiner Zeit“.6

Das Projekt Fugger – Die Andere Seite (2017)7 zeigt auf, wie die Fugger im Augsburger Stadtbild und vom Tourismusbüro dargestellt werden, und was daran problematisch ist:

Ihre Forschung fassen sie folgendermaßen zusammen: Reichtum und Macht werden als Ergebnis des Fuggerschen Handels dargestellt. Ausgeklammert werden jedoch die Bedingungen und das Zustandekommen des Reichtums. Die in der Darstellung des Fugger-„Imperiums“ als „wegweisend“ sind die Legitimationsstrategien in einer Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung begründet. Diese an Entwicklungstheorien angelehnte Vorstellung von Fortschritt impliziert eine Erhöhung des Eigenen bei Abwertung des Anderen. Auch Narrative der Exotik und Fremdheit finden sich in der Darstellung der Fugger wieder. Das hier vorgenommene Othering und eine daraus resultierende dichotome Geschichtsschreibung negieren die Komplexität der Historie. Diese Einseitigkeit hat Leerstellen zur Folge, welche mithilfe postkolonialer Kritik aufgezeigt werden können.

Die Fuggerei – Ein Erfolgsmodell?

Die Renaissance war kein Goldenes Zeitalter, kein Goldenes Augsburg, sondern bittere Armut! schreibt Bernhard Schiller: „Das ausgehende 15. und das frühe 16. Jahrhundert waren geprägt von Bevölkerungswachstum, Preissteigerungen (insbesondere bei den Lebensmitteln) und gewaltiger Not. Diese Kluft wurde immer breiter und die immense Armut des größten Teils der Bevölkerung geriet zunehmend zum sozialen Sprengstoff in der Reichsstadt. In Verleugnung dieser Tatsache ist vielfach die Rede vom „Goldenen Augsburg“ der Renaissance. Das Staatstheater Augsburg sprach anlässlich seines propagandistischen Fuggermusicals „Herz aus Gold“ sogar von der „glorreichen Vergangenheit“ einer „blühenden Metropole“. Tatsächlich war die wirtschaftliche Entwicklung in der Freien Reichsstadt des 15. und 16. Jahrhunderts sprichwörtlich golden nur für die exklusive Gesellschaft weniger, gut vernetzter Familien, die in ihren Stadtpalästen im Überfluss schwelgten, während die Verelendung des Großteils der Bevölkerung enorm zunahm und unter den Ärmsten und Hungernden vor allem stinkende und teuflisch juckende Hautausschläge blühten.“4

Bernhard Schiller kritisiert die glorifizierenden, mystifizierenden PR-Strategien der Fugger-Stiftungen und der Stadt Augsburg. Er erklärt, dass in der Fuggerei keine öffentlichen Plätze vorgesehen waren. „Und zwar absichtlich nicht. Die ursprüngliche Infrastruktur der Fuggerei war darauf ausgelegt, die Bewohner von Müßiggang, Eigensinn und verdächtiger Zusammenrottung ab- sowie zur Arbeit anzuhalten und wies deshalb (im Gegensatz zu damaligen Armenhäusern) keine öffentlichen Plätze für Gemeinschaftsbildung und Erholung auf. […] Das Konzept zielte bewusst auf Vereinzelung ab. Die Bewohner wurden auf ihre Häuser verwiesen, wo sie fromm, fleißig und zu rechter Stunde im Bett zu sein hatten. Das gilt sogar heute noch. Nächtliche Zuspätkommer müssen an der Pforte eine Geldbuße bezahlen. […] Die Bewohner anderer Armenhäuser waren zumeist alleinstehende Alte und Gebrechliche, für die der Arbeitsmarkt keine Verwendung mehr hatte. Die Bewohner der Fuggerei hingegen setzten sich aus Handwerkern und ihren Familien zusammen. [Also Arbeitsfähige Menschen]“ 4

Die Stadt Augsburg feiert also in diesem Frühling einen frühkapitalistischen, ausbeuterischen, Machtmenschen, der an Unterdrückung, Sklav*innenhandel, Beeinflussung der Politik und Monopolbildung beteiligt war. Damit kann man also nur unseren Freund*innen von der Seiferei zustimmen: So Ein Abfugg! 8

Facbeookpost Seyfi Meier: "Die Stiftung der Fuggerei durch die Fugger ist eigentlich doch genau das gleiche, wie wenn Jeff Bezos (Amazon) der Wohltätigkeitsorganisation von B. Obama 100 Millionen spendet. 
Wenn wir jetzt in Augsburg darauf hoffen, dass überall auf der Welt Fuggerein entstehen, dann hoffen wir darauf, dass Superreiche ungefähr ein Hunderttausendstel ihres erbeuteten, ererbten und erschlichenen Vermögens ausgeben, statt dass wir Sozialpolitik machen, damit sich alle eine ordentliche Wohnung leisten können.
#soeinabfugg"

Quellen

  1. Fuggerei in Augsburg: Anstiften zum Stiften (Süddeutsche Zeitung, 07.05.2022)
  2. Pressemitteilung: Fuggerei Jubiläumspavillon wird prominent eröffnet (Fugger.de, 19.04.2022)
  3. Bild: www.augsburg.de/umwelt-soziales/soziales/fuggerei-next500
  4. Marketing mit Menschenfabrik – Kommentar zu den Fuggerei-Feierlichkeiten von Bernhard Schiller (DAZ, 09.05.2022)
  5. Nit gar gutt (DER SPIEGEL, 18.08.1985) & Magg-Schwarzbäcker, Marion (1985): Spurensicherung. Beiträge zur fast vergessenen Geschichte Augsburgs, AV-Verlag Augsburg.
  6. Augsburgs Koloniale (K)Erben (2021)
  7. Fugger – Die Andere Seite (2017)
  8. Seyfi Meier (von Die Seiferei) #soeinabfugg (Facebookpost, 16.05.2022)

(c) Beitragsbild „Gasse in der Fuggerei, Augsburg“ Wikipedia-User High_Contrast

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